19 September 2008

Marktliberalismus 2.0

Marktliberalismus ist einfach: Man schreit nach Steuersenkungen mit der Begründung, dass der Markt den Rest schon erledigen werde. Das mit dem Menschheitsglück natürlich. Aus irgendeinem Grund ist diese Meinung die letzen paar Jahre recht populär geworden. Je weniger die so genannten "Leistungsträger" von ihrem Kuchen abgeben müssen, um so besser für uns alle. Denn es geht auch um die Wettbewerbsfähigkeit, international versteht sich.

In sofern finde ich tatsächlich das fulminante Eingreifen des amerikanischen Staates in die Finanzwirtschaft eben nicht sozialistisch wie jetzt viele meinen. Es ist eine folgerichtige Weiterentwicklung des bisherigen Konzeptes. Eine Art Marktliberalismus 2.0 sozusagen. (Oder auch Hypermarktliberalismus)

Die USA haben eine ganze Reihe Banken, wenn nicht beinahe alle, die sich mit faulen Krediten ganz schön in die Scheiße geritten haben. Der Staat zeigt sich gnädig und übernimmt jetzt die faulen Kredite einfach auf die eigene Schulter. Ich schätze die angepeilten Kosten von einer halben Billionen Dollar (200 Millarden sind ja schon versenkt) für optimistisch geschätzt. Verstaatlichung rufen da einige, und haben teils recht. Aber im Gro wird jetzt nur eines verstaatlicht: nämlich die Risiken von Krediten.

Aber: man kann das durchaus in einer Linie mit den Forderungen nach Steuersenkungen betrachten: Denn, nach der Null hört die Skala schließlich nicht auf. Nennen wir es einfach eine Art negative Steuer für Finanzhäuser.

Was wir nämlich erleben werden, ist, dass das Bankensystem in den USA sich wieder aufrappeln wird. Und in dem Bewusstsein, dass die Risiken ja nicht man selber, sondern im Notfall der amerikanische Steuerzahler trägt, werden die Banken in den USA international derart Wettbewerbsfähig sein, dass sie alle anderen das fürchten lehren werden. Es winken Traumbilanzen: Abschreibungen auf Forderungen können getrost gestrichen, Rückstellungen zurück in die Assets gebucht werden. Also krass gesagt: Man muss nur "too Big to Fail" sein. Dann lässt sich jeder Staat erpressen.

Ich höre schon die Stimmen aus Deutschland: Das brauchen wir auch! Wir müssen ja international Wettbewerbsfähig sein und mit den amerikanischen Superbanken die auch ohne eigenes Risiko arbeiten, konkurrieren! Ackermann wird das nicht schreien. Er hat es teilweise bereits. Alle anderen werden folgen. Denn die Amis sind nicht zurückgefallen durch die Krise, sie sind nur wie immer einen Schritt weiter.

Es ist naiv anzunehmen, dass das marktliberale Gewäsch, dass vorher abgesondert wurde, tatsächlich von den Apologeten selbst geglaubt wurde. Man fordert nur konsequent weiter, wenn man die Null hinter sich gelassen hat. Dummerweise braucht das Kind jetzt einen neuen Namen. Wörter mit "liberal" nimmt man denen wohl erstmal nicht mehr ab.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ui, interessante Theorie. Vielleicht ist den Banken für solch ein Kalkül die Empirie bereits zu weit davongeeilt. Das der Staat ein Backup für den gesamten Kreditmarkt sein kann ist kaum vorstellbar. Er schaffts es ja nicht mal, die jetzige Situation zu kontrollieren. Das liese sich also kaum auf Dauer stellen. Ich glaube, die asoziale Umverteilung der letzten 30 Jahre ist jetzt wirklich ausgereizt... In China kann man noch Leute für 10 Dollar Sachen produzieren lassen, die auf dem Weltmarkt für 1000 verkauft werden können - aber sobald Cina erwacht ist, ist da eine echte, natürliche Grenze erreicht. Naja, vielleicht entdeckt man dann Afrika...

Aber hätte man vor 10 Jahren einen Bankencrash vorgetäuscht, der nicht im Billionen sondern zweistelligen Milliardenbereich eine Sozialisierung "von Nöten" gemacht hätte, hätten sich gewitzte Investmentbanken durch geschickte Marktschliessung so ein staatliches Backupsystem installieren können. (vielleicht)

mspro hat gesagt…

@amazeman ich würde nicht so weit gehen, den Banken da vorsätzliches Handeln zu unterstellen. Weder eine Verschwörung, noch einen Plan oder eine Theorie. Die machen nur immer das Beste aus ihrer Situation, also Geld.

Dass die neue Situation zwar ihre ideologische Rechtfertigung angreift, ihnen letztlich aber doch in die Hände spielt, nehmen aber natürlich sie gerne in Kauf.

Langfristig glaube ich aber nicht, dass sich das Volk das gefallen lässt. Wir werden vermutlich in der Postbushära einige politische Umstrukturierungen erleben.

Dafür wird aber eine völlig neue Architektur aus der Taufe gehoben werden müssen. Wie die aussieht, kann ich nicht sagen. Sie wird aber vermutlich schon die Banken ins Solidarsystem zurückholen.

Anonym hat gesagt…

bleibt zu hoffen, dass die us-amerikanische politik da anders handelt als der berliner senat (stichwort landesbank berlin) und wirklich konsequenzen zieht. so richtig glauben mag ich das aber noch nicht.